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Gesellschaftliche Verantwortung öffnet Türen im Krankenhaus Dierdorf/Selters

Gäste lernen Arbeit der Einrichtung kennen – Herausforderungen und Lichtblicke

„Wir machen Türen auf“: Unter diesem Motto gewährt die Gesellschaftliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau mehrmals im Jahr Einblicke in Unternehmen und Einrichtungen. Dieses Mal steht das Gebiet „Medizin, Forschung, Produkte, Versorgung“ im Fokus der Reihe: Im Evangelischen Krankenhaus Dierdorf/Selters informieren sich knapp 30 BesucherInnen über die medizinische Versorgung in der

Region. Dessen stellvertretender Geschäftsführer Jörg Geenen und der Vorsitzende des Krankenhausvereins, Rainer Hummel, stellen den Gästen das Haus vor.
Beziehungsweise: die Häuser. „Denn seit 1988 bilden die Standorte Dierdorf und Selters eine gemeinsame Gesellschaft und nennen sich ab dem Jahr 2015 Evangelisches Krankenhaus Dierdorf/Selters“, sagt Rainer Hummel. Seitdem sind in Selters unter anderem die Innere Medizin oder die Neurologie mit der zertifizierten Stroke Unit beheimatet, während sich der Standort Dierdorf vor allem um vielfältige chirurgische Eingriffe kümmert. „Heute versorgt das Krankenhaus an beiden Standorten rund 9000 stationäre und 33000 ambulante Patienten pro Jahr“, erklärt Jörg Geenen den Gästen. Es verfügt über 188 Betten und etwa 530 MitarbeiterInnen. Dabei erwirtschaftet das Krankenhaus einen jährlichen Umsatz von rund 37 Millionen Euro.
Trotzdem ist die finanzielle Situation gerade für die rheinland-pfälzischen Einrichtungen angespannt, erklärt Jörg Geenen. Denn bei der Höhe der Fördermittel, die das Land den Krankenhäusern für Investitionen wie Baumaßnahmen oder medizinische Geräte zur Verfügung stellt, liegt Rheinland-Pfalz im unteren Drittel aller Bundesländer: „2019 hat Rheinland-Pfalz jedes Krankenhaus-Bett mit 6327 Euro bezuschusst. Das sind rund 4000 Euro weniger als in Hamburg oder Bayern bei gleichen Anforderungen“, erläutert der Geschäftsführer.
Die Betriebskosten, die für die Behandlung von Patientinnen und Patienten entstehen, werden hingegen von den Krankenkassen bezahlt – und auch in diesem Bereich ist die Lage schwierig. „Denn seit Jahren gibt es eine Lücke zwischen den Kostensteigerungen und dem Anstieg des Basisfallwertes“, sagt Geenen. Der Basisfallwert legt – vereinfacht gesagt – fest, wie viel Geld ein Krankenhaus für die Behandlung einer bestimmten Krankheit bekommt. Das Problem: Diese Erlöse sind in den vergangenen Jahren deutlich langsamer gestiegen als die Personal- und Sachkosten. „Und das ist nur die eine Seite der Medaille“, sagt Jörg Geenen mit Blick auf den Pflegekräftemangel: Bis zum Jahr 2035 fehlen in Deutschland rund 307.000 Pflegekräfte in der stationären Versorgung.
Doch es gibt Lichtblicke. Denn das Evangelische Krankenhaus Dierdorf/Selters hat in den vergangenen Jahren viel Arbeit in die Personalakquise gesteckt – und das scheint sich auszuzahlen. „Wir waren auf Jobmessen präsent, haben in Social Media um Arbeitskräfte geworben und viele Menschen direkt angesprochen“, sagt Jörg Geenen. Seit 2022 arbeiten unter anderem 15 neue ausländische Pflegekräfte im Krankenhaus. „Wir kümmern uns um diese Menschen, die inzwischen anerkannte Pflegekräfte sind: Unter anderem haben wir ihnen Mietwohnungen in fußläufiger Entfernung zum Krankenhaus besorgt und eingerichtet. Dies erleichtert den Start in ein neues Land mit einer neuen Sprache und neuem Arbeitsumfeld“.
Dank solcher Maßnahmen steigt die Zahl der Vollzeitkräfte seit 2019. „Was die Fachkräfte betrifft, geht es uns zurzeit also ganz gut“, fasst der Geschäftsführer mit vorsichtigem Optimismus zusammen.
In Bezug auf die Krankenhausreform, die zum 1. Januar 2024 starten soll, ist aktuell leider noch Vieles ungewiss. „Wegen des bundesweiten Fachkräftemangels ist es sinnvoll, die Schwerpunkte von Krankenhäusern neu zu ordnen“, sagt der stellvertretende Geschäftsführer. Sorgen macht ihm unterdessen, dass die Reform schon in wenigen Monaten in Kraft treten soll. „Wir wissen noch nicht, was wir ab dem 1. Januar dürfen und wie wir arbeiten. Das macht die Planung nicht leichter. Ich hoffe, dass der Bundesgesundheitsminister zeitnah die Rahmenbedingungen festlegten wird. Und dass uns das Land bei der Zuteilung der Leistungsgruppen diejenigen Dinge, die wir gut können, fortführen lässt.“
Er ist überzeugt, dass Deutschland ein sehr gutes Gesundheitswesen hat, das freilich reformbedürftig ist. Das Krankenhaus Dierdorf/Selters blickt gespannt auf diese Reformen und nimmt die damit verbundenen Herausforderungen an. Das nehmen die Teilnehmenden von „Wir machen Türen auf“ mit. Wilfried Kehr, Referent für Gesellschaftliche Verantwortung im Evangelischen Dekanat Westerwald, schließt den Besuch mit einem Segen für das Krankenhaus: „Ich wünsche Ihnen alles Gute – auch in einer Zeit der Ungewissheit“. (bon)